Innen: Orakel von Delphi (Aigeus vor Themis)
Aussen: Jagdszenen (Kalydonische Eberjagd, Peleus auf Hirsch-Jagd)
Das Innenbild der großen Trinkschale gewährt uns einen Blick in einen Tempel, der hier durch eine dorische Säule mit Architrav und Triglyphenfries in der Bildmitte angedeutet ist.
Links sitzt auf einem großen Dreifuß eine in einen Mantel gehüllte Frau. Aufmerksam blickt sie in eine Spendenschale, die sie in ihrer linken Hand hält. In der Rechten hat sie einen kleinen Lorbeerzweig. Rechts steht würdevoll ein bärtiger Mann mit Stab, Lorbeerkranz und Binde im Haar. Er blickt erwartungsvoll zu der Frau. Die Namensbeischriften weisen die Dargestellten als Themis und Aigeus aus.
Zweifelsfrei ist hier das Orakel von Delphi gezeigt. Der Lorbeerzweig verweist auf Apollon, in dessen Heiligtum sich die berühmteste Orakelstätte Griechenlands befand. Über einer Erdspalte, aus der Dämpfe entwichen, saß den Überlieferungen zufolge die Pythia und empfing die halluzinatorischen Eingebungen, die von den Priestern in Orakelsprüche gefasst wurden. Die Pythia musste nach alter Überlieferung eine Jungfrau sein – später allerdings vertraute man älteren Frauen dieses Amt an. Die steigende Nachfrage führte dazu, dass die ursprünglich einmal im Jahr stattfindende Befragung am Geburtstag des Apollon, des 7. des delphischen Monats Bysios, dann allmonatlich – unterbrochen durch eine Winterpause – vollzogen wurde. Dabei lösten sich auch mehrere Pyhien ab.
Der Name der Pythia dieses Bildes – Themis – verweist beziehungsreich auf die Titanin gleichen Namens, deren Wissen um die Zukunft Zeus übertraf. Als Herrin des göttlichen Rechts hatte sie das Orakel von ihrer Mutter Gaia bekommen und weitergegeben an Apollon. Aigeus war einer der Könige und Phylenheroen Athens. Angeblich befragte er die Pythia wegen seines Wunsches nach einem Sohn.
Neben Ratsuchenden, die in privaten Angelegenheiten Entscheidungshilfen durch das Orakel erbaten, wurden auch von Heerführern und Königen aus ganz Griechenland politische Fragen in Delphi der Pythia vorgebracht. Reiche Weihegaben, für die eigene Schatzhäuser gebaut werden mussten, unterstreichen die Bedeutung dieses wichtigen panhellenischen Orakelortes. Überliefert ist ein bekanntes Orakel, das Kroisos vor dem Zug gegen den Perserkönig Kyros II. empfangen hatte: „Überschreitet Kroisos den Halys, wird er ein großes Reich zerstören.“ (Herodot, Historien 1,53,3 (indirekt); Aristoteles, Rhetorik 1407a (als Hexameter). In der Annahme, der geplante Feldzug würde die Niederlage des Feindes bringen, ließ Kroisos 546 v. Chr. den Feldzug beginnen. Tatsächlich aber wurde er besiegt und sein eigenes Reich zerstört.
Von Göttern und Menschen - Bilder auf griechischen Vasen (2010) Nr. 54 (U. Kästner).
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