Das Innenbild dieser kleinen Schale gewährt uns einen Blick in ein Vasenatelier: Ein junger Mann sitzt aufrecht, fast gespannt nach rechts gerichtet vor einem dreistufigen Aufbau. Im kurzen Haar trägt er eine Tänie, eine Binde. Der Mantel ist vom Oberkörper herabgeglitten und bauscht sich um seine Hüften. In der einen Hand hält er ein tongrundiges Gefäß, einen Skyphos, in der anderen ein Instrument. Rechts vor ihm stehen auf den Wandabsätzen eine Kanne und ein Napf: Beide sind bereits schwarz bemalt.
Man hat versucht, mit dieser Darstellung einen bestimmten Arbeitsgang bei der Fertigung der bemalten Tongefäße zu verbinden – vielleicht den Moment, wenn der Henkel gerade an den Gefäßkörper angesetzt und nun die Übergänge verschmiert bzw. geglättet wurden, vielleicht auch direkt das Bemalen des Gefäßes. Ähnliche Werkstattbilder gibt es – allerdings nicht häufig – auf frühen rotfigurigen Vasen. Dort erscheinen die Arbeitenden allerdings immer mit leicht gebeugtem Rücken ihrem Tun intensiv hingegeben. Die aufrechte, fast distanzierte Haltung des jungen Mannes hier, die vornehme Gewandung mit einem faltenreichen Mantel anstelle eines praktischen Schurzes sowie die Tänie im Haar lassen bei unserer Schale dagegen weniger an eine Arbeitsdarstellung als an ein Repräsentationsbild denken. Dies umso mehr, als der sog. Arbeitsvorgang mit der linken Hand ausgeführt wird. Linkshändigkeit hat es zwar sicher auch in der Antike gegeben – alle bekannten Werkstattbilder zeigen die Arbeitenden jedoch als Rechtshänder.
Anders als bei vergleichbaren Darstellungen gibt es hierfür weder kompositorische Gründe noch besteht das Dilemma einer Überschneidung. Es ist also offensichtlich, dass hier eine Pose eingenommen wird, dass sich der Vasenmaler oder Töpfer mit seinen Erzeugnissen präsentiert. Diese Schale ist von einem Unbekannten bemalt worden, der sich so in seinem Berufsstand ein kleines Denkmal geschaffen hat oder damit eine Weihgabe, ein Votiv, anfertigte. Ob die beiden rot ausgesparten Buchstaben („P S“) oben im Bildfeld eine verkürzte Signatur sein sollen, lässt sich nicht nachweisen.
Von Göttern und Menschen - Bilder auf griechischen Vasen (2010) Nr. 46 (U. Kästner).
de