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GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung Grafiksammlung [Ca 9836]
Audienz Christian Fürchtegott Gellerts bei Friedrich II. im Jahr 1760 (Gleimhaus Halberstadt CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gleimhaus Halberstadt (CC BY-NC-SA)
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Audienz Christian Fürchtegott Gellerts bei Friedrich II. im Jahr 1760

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Beschreibung

Daniel Chodowiecki stellte die Audienz Christian Fürchtegott Gellerts 1760 wie auch jene der Anna Louisa Karsch 1763 innerhalb seiner Folge "Anekdoten und Charakterzügen Friedrichs II." für den Gothaischen Hofkalender 1790 dar.
Gellert gab sein Gespräch mit dem König folgendermaßen wieder:
Der König: Ist er Professor Gellert? Ich habe ihn gern sprechen wollen. Der Englische Gesandte hat mir seine Schriften noch heute sehr gelobt. Sind sie denn wirklich schön? Gelehrt mögen die Deutschen wohl schreiben; aber sie schreiben nicht mit Geschmack.
Ich: Ob meine Schriften schön sind; das kann ich selbst nicht sagen, Sire; aber ganz Deutschland sagt es, und ist mit mir zufrieden; ich selbst bin es nicht.
Der König: Er ist sehr bescheiden.
Ich: Diese Tugend, Ihre Majestät, ist mir natürlich, u. ein guter Autor kann niemals glauben, daß er schön genug geschrieben habe.
Der König: Aber warum nöthigen uns die deutschen Scribenten nicht, daß wir ihre Schriften lesen müssen, so wie es die Franzosen mit ihren Werken thun?
Ich: Das kann ich nicht beantworten, Sire; da die Griechen schön schrieben, führten die Römer noch Krieg; da die Römer gut schrieben, hatten die Griechen aufgehört zu schreiben.
Der König: Er hat Recht. Er mag wohl ein guter Mann seyn. Aber weis er, was ihm fehlet? Es [sic] sollte reisen u. die große Welt kennen lernen; dieses hilft schreiben.
Ich: Ich glaube es sehr wohl, Ihre Majestät. Aber ich bin zu alt u. zu krank zum Reisen, u. auch nicht reich genug dazu.
Der König: Ja, die deutschen Dichter mögen wohl selten unterstützt werden. Es ist nicht gut.
Ich: Vielleicht fehlen uns noch Auguste und Ludwige qvatorce.

Der König: Aber Lafontaine hatte keine Pension von Ludwig XIV. war auch nicht in der Academie.
Ich: Vergeben Sie mir, Sire; gegen das Ende seines Lebens war er in der Academie; und wenn ihm der König keine Pension gab, so hat ihm doch die La Sablière sechzehn Jahre Pension genug in ihrem Hause gegeben.
Der König: Er hat Recht. Aber Sachsen hat ja schon zween Auguste gehabt.
Ich: Und wir haben auch in Sachsen schon einen sehr guten Anfang in den schönen Wissenschaften gemacht. Ich rede nicht von Sachsen allein; ich rede von ganz Deutschland.
Der König: Will er denn, daß Ein August ganz Deutschland haben soll?
Ich: Das will ich eben nicht. Aber ich wünsche nur, daß die großen Könige in Deutschland die Künste aufmuntern sollen, u. uns beßre Zeiten geben.
Der König: Sind itzt böse Zeiten?
Ich: Das werden Ew. Majestät besser bestimmen können, als ich. Ich wünsche ruhige Zeiten. Geben Sie uns nur Frieden, Sire.
Der König: Kann ich denn, wenn Dreye gegen Einen sind?
Ich: Das weis ich nicht zu beantworten. Wenn ich König wäre, so hätten die Deutschen bald Frieden.
Der König: Hat er den Lafontaine nachgeahmet?
Ich: Nein, Sire, ich bin ein Original; das kann ich ohne Eitelkeit sagen; aber darum sage ich noch nicht, daß ich ein gutes Original bin.
Der Major: Ja, Ihre Majestät. Man hat in Paris die Gellertschen Fabeln übersetzet u. ihn für den deutschen Lafontaine erklärt.
Der König: Das ist viel. Aber warum ist er krank? Er scheint mir die Hypochondrie zu haben.
Ich: Leider, seit zwanzig Jahren.
Der König: Ich habe sie auch gehabt u. ich will ihn curiren.
Ich: So werde ich in mein Journal setzen können, daß mich der König von Preußen curirt hat. Dies wird mir viel Ehre bey der Nachwelt machen.
Der König: Erstlich muß er alle Tage eine Stunde reiten u. zwar traben.
Ich: Wenn das Pferd gesund ist, so kann ich nicht fort; u. wenn es so krank ist, wie ich, so kommen wir alle beide nicht fort. (Nunmehr schlug er mir noch eine Menge Boerhavischer Mittel vor.)
Der König: Will er das thun?
Ich: Ihre Regeln, Sire, wie man gut schreiben soll, die werde ich in Acht nehmen u. habe sie auch schon in Acht genommen; aber Ihren medicinischen Vorschriften werde ich nicht gehorchen, sie scheinen mir eine zweyte Krankheit zu seyn. Ich lebe schon sehr diät u. ich bin zufrieden, wenn ich ruhig sterbe, gesetzt, daß ich auch nicht gesund werde.
Der König: Wie alt ist er?
Ich: Fünf und Vierzig Jahre.
Der König: Das ist kein Alter. Er muß noch schreiben, für die Welt leben.
Ich: Ich habe es gethan, u. ich habe schon zu viel geschrieben. Es ist eine große Geschicklichkeit zu rechter Zeit aufzuhören; u. endlich liegt mir an der Unsterblichkeit wenig, wenn ich nur genützet habe.
Der König: Weis er keine von seinen Fabeln auswendig?
Ich: Nein
Der König: Besinne er sich. Ich will etliche mal im Zimmer auf u. abgehen.
Ich: Nunmehr kann ich Ihrer Majestät eine sagen. Ich sagte ihm die Fabel vom Maler in Athen. Als ich bis auf die Moral* war, sagte er: Nun die Moral? Ich sagte die Moral.
Der König: Das ist gut; das ist sehr gut! Ich muß ihn loben. Das habe ich nicht gedacht; nein, das ist sehr schön, natürlich, gut u. kurz. Wo hat er so schreiben lernen? Es klingt fein; sonst hasse ich die deutsche Sprache.
Ich: Das ist ein Unglück für uns, wenn Sie die Deutschen Schriften hassen.
Der König: Nein, ihn lobe ich.
Ich: Das Lob eines Kenners u. Königs ist eine große Belohnung.
Der König: Der König wird wohl nicht viel dazu beytragen.
Ich: Ja, wenn der König ein Kenner ist: so wird das Lob vollwichtig.
Der König: Wenn ich hier bleibe, so besuche er mich wieder u. stecke er seine Fabeln zu sich und lese er mir welche vor.
(Zitiert nach: Gellert an Erdmuth von Schönfeld, Leipzig, 12. Dezember 1760, in: C. F. Gellerts Briefwechsel. Hg. von John F. Reynolds. Bd. 3, Berlin, New York 1991, S. 79-81.

*Die Moral der Fabel lautet:
Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt:
So ist es schon ein böses Zeichen;
Doch wenn sie gar des Narren Lob erhält:
So ist es Zeit, sie auszustreichen.

Material/Technik

Radierung

Maße

9,7 x 5,6 cm

Literatur

  • Lacher, Reimar F. (2017): "Friedrich, unser Held" - Gleim und sein König. Göttingen, S. 122
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GLEIMHAUS  Museum der deutschen Aufklärung

Objekt aus: GLEIMHAUS Museum der deutschen Aufklärung

Das Gleimhaus ist eines der ältesten deutschen Literaturmuseen, eingerichtet im Jahr 1862 im ehemaligen Wohnhaus des Dichters und Sammlers Johann...

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