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Stadtmuseum Hagen [Hagener Stücke]. 111 Objekte aus dem Stadtmuseum [2017/19]
Stoffbahn mit "Judensternen" (Stadtmuseum Hagen RR-R)
Herkunft/Rechte: Stadtmuseum Hagen / Heike Wippermann (RR-R)
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Stoffbahn mit "Judensternen"

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Beschreibung

Die Stoffbahn stammt aus dem Konzentrationslager Theresienstadt (Terezin, Tschechien). Der Hagener Jude Walter Wolff (*1892, gest. 1958) brachte sie im August 1945 bei seiner Rückkehr aus dem Lager nach Hagen mit. Auf der gelb gefärbten Stoffbahn aus Viskose sind noch 55 aufgedruckte „Judensterne“ vorhanden. Die Längsseiten der Bahn befinden sich im Herstellungszustand. Dagegen wurden von den beiden Endstücken ausgehend zahlreiche Sterne ausgeschnitten.
Nach einer am 19. September 1941 in Kraft getretenen Polizeiverordnung wurde Juden im Reichsgebiet das Tragen eines sechseckigen Sterns als Kennzeichen vorgeschrieben. Ab März 1942 mussten jüdische Wohnungen und Häuser außerdem mit Papiersternen markiert werden. Hergestellt wurden die mit Sternen bedruckten gelben Stoffe von der Berliner Fahnenfabrik Geitel & Co. Die „Reichsvereinigung der Juden“ musste gegen eine Gebühr von zehn Pfennigen an jeden Juden/jede Jüdin höchstens vier aus den Stoffbahnen geschnittene „Judensterne“ ausgeben. Das Kennzeichen war von den Trägern deutlich sichtbar auf der linken Brustseite der Bekleidung anzubringen. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) kontrollierte penibel die Einhaltung der Vorschriften. Das Zuwiderhandeln und geringste Abweichen von der vorgegebenen Norm hatte für die Betroffenen demütigende Schikanen, unter Umständen auch drakonische Strafen bis hin zu Misshandlungen und Inhaftierung zur Folge.
Walter Wolff war gelernter Kaufmann. Im Ersten Weltkrieg wurde er in Frankreich und Polen als Soldat eingesetzt, 1915 erhielt Wolff das Eiserne Kreuz II. Klasse und das Verwundetenabzeichen. Seit 1927 war er mit Pauline Oberschelp (*1900, †1953) verheiratet, aus der Ehe stammen fünf Kinder, darunter die Söhne Gerd (*1930) und Werner. Nach den Nürnberger Rassegesetzen (1935) lebte Wolff mit seiner „arischen“ und katholischen Ehefrau in „Mischehe“. Diese Einstufung sowie seine Vergangenheit als ein mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichneter „Frontkämpfer“ boten ihm einen gewissen Schutz. Sein rechtlicher Status befreite ihn im September 1941 zunächst auch von der Kennzeichnungspflicht sowie bis 1944 vor einer Deportation. Wolff war in der Hagener Niederlassung der Standard Deutsche Sichtkartei GmbH beschäftigt. Das jüdische Unternehmen wurde 1934 in „arischen“ Besitz überführt.
Nach dem Judenpogrom am 9./10. November 1938 wurde Wolff entlassen. Die Gestapo nahm ihn für rund vierzehn Tage im Hagener Polizeigefängnis in „Schutzhaft“. Arbeitslos und ohne Einkommen hielt er sich anschließend mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Im Zweiten Weltkrieg war Walter Wolff ab April 1940 in der Hagener Großwäscherei Edelweiß sowie ab Herbst 1943 als Zwangsarbeiter in Hagener und Iserlohner Bauunternehmen eingesetzt. Sein Sohn Werner kam im August 1944 in ein eigens angelegtes „Mischlingslager“ der Gestapo auf dem Gelände der Klöckner-Werke in Haspe, der vierzehnjährige Gerd blieb bei der Mutter. Am 29. September 1944 wurden die jüdischen „Mischehepartner“ im Bezirk der Gestapo Dortmund deportiert. Mit weiteren Männern gelangte Walter Wolff in ein Lager der Organisation Todt bei Weißenfels an der Saale. Im Dezember 1944 kam er in ein Lager bei den Leuna-Werken in Merseburg. Der Transport XVI/6 brachte ihn am 12. Februar 1945 nach Theresienstadt.
Nach seiner Befreiung in Theresienstadt im Mai 1945 organisierte Wolff die Rückkehr der dort untergebrachten Hagener Juden in ihre Heimatstadt. Im März des folgenden Jahres gehörte er zu den Neugründern der jüdischen Gemeinde in Hagen. 2012 übergab sein Sohn Gerd dem Stadtarchiv und Stadtmuseum die Stoffbahn sowie weitere aus dem Konzentrationslager mitgebrachte Erinnerungsstücke und Dokumente.

Ralf Blank

Quelle: Yad Vashem Archives, O.64/357.

Material/Technik

Viskose / bedruckt & geschnitten

Maße

B max. 83,5 cm, L max. 74 cm

Literatur

  • Blank, Ralf; Freiesleben, Dietmar (Hrsg.) (2017): [Hagener Stücke]. 111 Objekte aus dem Stadtmuseum. Essen, S. 70f
  • Blank, Ralf; Marra, Stephanie; Sollbach, Gerhard (2008): Hagen. Geschichte der Großstadt und ihrer Region. Essen
  • Kwiet, Konrad (1988): Nach dem Pogrom. Stufen der Ausgrenzung; in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Die Juden in Deutschland 1933-1945. München, S. 545-659
  • Kwiet, Konrad (2001): Judenstern; in: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiss (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. München, S. 589
  • Scheiner, Jens J. (2004): Vom Gelben Flicken zum Judenstern? Genese und Applikation von Judenabzeichen im Islam und christlichen Europa (849-1941). Frankfurt am Main
  • Silverman, Eric Kline (2013): A Cultural History of Jewish Dress. London
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Stadtmuseum Hagen

Objekt aus: Stadtmuseum Hagen

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