Der Begriff Maskeron steht in der bildenden Kunst für maskenhaft ausgeführte, manchmal fratzenhaft verzehrte Gesichter von Menschen, Tieren oder Fabelwesen. Bereits in der Antike bekannt, ist das Maskeron auch in der Kunst des Mittelalters und der Renaissance zu finden. Besonders häufig wurden sie im Barock und im Historismus als Dekor an Gebäuden verwendet. Das Maskeron vom Haus Wasserstraße 2 stellt ein Fabelwesen dar, das eine Mischung zwischen Löwe und Stier erkennen lässt. Rechst und links erstrecken sich je vier Korkenzieherlocken von den Wangen nach hinten. Plastisch ausgearbeitete Augäpfel unter einem dicken wellenförmigen Stirnwulst betonen den Blick des Tieres. Der Stirnwulst entwickelt sich zu stark gewundenen Hörnern, die dem Wesen einen wilden Eindruck verleihen. Auf dem Maskeron liegt bäuchlings ein kleiner Mensch. Sein Kopf ist heute leider verloren. Gut erkennbar sind jedoch seine ausgebreiteten Arme und die Hände, die sich in einer Locke der Mähne festhalten.
Das hier dargestellte Thema mit dem kleinen Menschen, der das Tier zähmen bzw. lenken will, ist wohl mit der „Allgegenwart des Bösen“ oder dem „Bann des Bösen“ zu interpretieren.
Der separat gearbeitete Unterkiefer des Fabelwesens lässt eine Funktionalität vermuten, die heute jedoch nicht mehr zu rekonstruieren ist. Da keine Spuren auf die Bestimmung als Wasserspender hinweisen, ist die Verwendung des Maskeron als Brunnenausguss oder Wasserspeier an einer Kirche nicht belegbar.
Nach dem großen Attendorner Stadtbrand des Jahres 1783 wurde das Haus Wasserstraße 2 renoviert und man setzte das Maskeron als Hausschmuck an der Seite zum Markt ein. Eine um 1800 gemalte Ansicht auf den Marktplatz (Inv. Nr. XXX) zeigt rechts die Attendorner Pfarrkirche, links das Rathaus und dahinter das Haus Wasserstr. 2. An diesem ist links neben dem großen Tor das Maskeron zu erkennen. Die wie zufällig erscheinende Anbringung des Hausschmucks, ohne Bezug auf die Architektur, macht deutlich, dass es sich hier um eine Verarbeitung als Spolie handelt.
Der ursprüngliche Aufstellungsort ist nicht mehr bekannt und die Frage danach gibt viel Raum für Spekulationen. Ein möglicher Anbringungsort des Fabeltierkopfes wäre als Scheitelstein an einem Stadttor - vielleicht dem Wassertor. Sicher war auch die Stadtmauer mit ihren Türmen vom großen Stadtbrand betroffen und vielleicht wurde der Maskeronstein in diesem Zusammenhang geborgen und neu verbaut. Die Stadtmauer hatte bereits längst ihre Bedeutung als Schutz vor Angreifern verloren und wurde 1812 geschliffen.
Die ursprüngliche Verbauung an einem Attendorner Bürgerhaus ist denkbar, aber über mögliche Steinhäuser, die vor 1883 in Attendorn standen ist nichts überliefert. Als wichtigstes städtisches Gebäude kann das Rathaus genannt werden. Das Maskeron könnte hier als sprechendes Zeichen der Gerichtsbarkeit präsentiert worden sein.
Die nahe der Stadt gelegene Burg Schnellenberg bietet ebenfalls Anbringungsmöglichkeiten. Diese reichsunmittelbare Burganlage kaufte im Jahre 1594 der spätere Landdroste des Herzogtums Westfalen, Kaspar von Fürstenberg, und ließ sie unter Beibehaltung alter Teile zur größten und mächtigsten Höhenburganlage Südwestfalens ausbauen.
In jedem Fall sind Anlass und Zeitpunkt für die Aufgabe des Maskeron am originalen Aufstellungsort und Neuaufstellung am Haus Wasserstraße 2 nicht durch die erhaltenen Quellen eindeutig erklärbar.
Die Bestimmung der Entstehungszeit dieses ungewöhnlichen Schmucksteins ist ebenso schwierig, da entsprechendes Vergleichsmaterial fehlt. Das bewegte Formenspiel, welches das Maskeron prägt, mit der archaische Maulform, die an mittelalterliche Löwendarstellungen erinnert und der kleinen Menschengestalt, die das Wesen zu bezwingen scheint, erinnert an gotische Bildwerke. Die Kunst der Parler hat Skulpturen hervorgebracht, die durch ähnliche Motive und Stilmerkmale geprägt sind. So zeigen die Löwenköpfe von bronzenen Türziehern, die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, bzw. um 1430 in Nürnberg entstandenen, vergleichbare wellenförmige Überdachungen der Augen und ähnliche, strahlenförmig sich vom Kopf erstreckende Mähnenzotteln. Auch die Augäpfel wölben sich bei den genannten Bronzen deutlich nach vorne. Aber auch die grotesken Maskenkonsolen im Prager Veitsdom (2. H. 14. Jh.) zeigen Motive, mit markanten Stirnwellen und weit hervortretenden Augäpfeln. Die Kapitellplastik am Altarciborium der Grafen von Cilli (um 1400) in der Pfarrkirche Ptujska gora in Slowenien zeigt Männer, die einer Maske an Haarsträhnen ziehen.
Charakteristische Stilmerkmale wie Gewandfalten oder Haarlockenmotive fehlen bei diesem Phantasiewesen, und die handwerkliche Machart des Attendorner Maskeron lässt für die Datierung einen Spielraum zu, der sich durchaus bis in frühbarocke Zeit errecken kann, da populäre Bildideen besonders im ländlichen Raum lange tradiert wurden, jedoch spicht viel für eine spätmittelalterliche Entstehungszeit, so dass hier eine Datierung in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vermutet werden kann - eine Zeit in der die Hansestadt Attendorn eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit erlebte.
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