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Südsauerlandmuseum Attendorn Skulpturen des Mittelalters 1200 -1550 [92/32 (1728,1680)]
Skulptur Diakon (Hl. Stephanus?) (Südsauerlandmuseum Attendorn CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Südsauerlandmuseum Attendorn (CC BY-NC-SA)
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Skulptur Diakon (Hl. Stephanus?)

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Beschreibung

Die Emlinghauser Skulptur ist erstmals von Albert Ludorff 1901 fotografiert und in der Publikation zu den Bau- und Kunstdenkmälern des Kreises Olpe vorgestellt worden. Ludorff bezeichnete die Skulptur als Leuchterfigur, und das historische Foto zeigt auch einen bartlosen Mann in geistlicher Gewandung ohne die später zugefügte linke Hand mit Buch und Steinen Attributen, die zu der Identifizierung als hl. Stephanus führten. Auch der Gegenstand, den die Figur einst mit der linken Hand trug, ist verloren. Dieser wurde mit dem Mantelsaum umgriffen gehalten. Häufig ist dies eine Geste, welche die Würdigkeit des Objektes verdeutlicht und wird oft bei der Heiligen Schrift oder dem Kelch angewandt. Mitunter wird der hoch­ geraffte Mantelsaum aber auch als gestalterisches Mittel eingesetzt, um ein bewegtes Faltenspiel in der Gewandung entwickeln zu können. So ist dieses Motiv bei einem um 1470 bis 1480 gearbeiteten Leuchterengel des Schnütgen-Museums in Köln116 zu verstehen, der einen Kerzenständer hält. Aber auch die Henrick van Holt zugeschriebene, um 1530 bis 1540 entstandene Stephanus-Figur im Pfarrhaus von St. Stephan in Kessel trägt die Steine mit dem Mantelsaum. Die Gewandung der Emlinghauser Holzfigur als Diakon ist charakteristisch für die Darstellung des hl. Stephanus, ist aber ebenso bei Leuchterfiguren zu finden, die meist Engel sind. Die liturgische Gewandung des Diakons besteht aus dem tunikaähnlichen Untergewand, der Albe, die hier weit über den Boden fällt und in ihrer Form impraktikabel wirkt und vielleicht ein Hinweis auf die himmlische Sphäre des Dar­gestellten ist. Weitere Teile des Gewands sind das dem um den Hals gelegte, rechteckigen Schultertuch, das Amikt, und das über dem linken Arm getragen Manipel. Dieses weist als liturgisches lnsignium Bischöfe, Priester, Diakone und Subdiakone in besonderer Form aus. Über der Albe wird die mit weiten Ärmeln gearbeitete Dalmatik getragen, die durch Fransen und mit Blumen verzierte Borten geschmückt ist. Die Schmuckborten der Dalmatik und des Manipels der Diakonstracht bieten interessante technische Details. Hier sind Blüten­ formen zu sehen, die teils geschnitzt, teils mit Rundeisen in das Holz geschlagen wurden. Die geschnitzten Blüten zeigen dabei eine vier­ blättrige Blüte, die sich auf einer quadratischen Grundfläche entwickelt. Die mit dem Rundeisen geschlagenen Blüten und Ornamente variieren den Kreis und Halbkreis in seiner Zusammenstellung aus drei bis zu neun Elementen. Die beschriebene Technik könnte als Werkstattmodell möglicherweise ein Indiz für den Entstehungsort der Skulptur bieten.
Modische Motive und Gewandcharakteristik der sehr qualitätvollen Schnitzarbeit lassen eine Entstehung der Diakonsfigur zwischen 1530 und 1540 erkennen. Der konservativen rscheinungsform geistlicher Gewandung entsprechend stehen die modischen Formen zwar nicht im Vordergrund, aber der linke Schuh des Diakon, mit extra dicker, profilierter Sohle, welcher unter der Albe hervorschaut, ist typisch für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Kuh­maulschuh - eine Bezeichnung, die sich leicht aus der Form der Schuhe erklären lässt und zunächst in der Landsknechtstracht um 1500 in Erscheinung trat. Die Gewandfalten der Albe, die durch den sich im Fußbereich stauenden Stoff gebildet werden, und die Falten der Dalmatik, welche durch das Hochraffen des Saumes mit der rechten Hand entstehen, verraten in ihrer sich vielfach stumpf brechenden Form und dem z.T. vibrierenden Charakter eine Entstehung im zweiten Viertel des 16.Jahrhunderts. Zeitstellung und bildhauerische Qualität der Emlinghauser Diakonsfigur gab Anlass zu der Vermutung, es könne eine Arbeit aus dem Umkreis der Werkstatt Henrick Douwerman (gest. 1543/44) sein, der seit 1515 in Kalkar tätig war.
Ein genauer Vergleich mi den Douwerman und seiner Werkstatt zugeschriebenen Schnitz­arbeiten, aber auch mit Werken der zur gleichen Zeit in Kleve tätigen Bildschnitzern Henrick van Holt und Arnt van Tricht zeigt jedoch, dass hier bei keiner Figur der oben beschriebene "vibrierende" Faltenstil zu finden ist. Auch haben die Werke der "Kalkarer Schule" eine andere Gesichtsbildung und die Liebe zum modischen Detail scheint insgesamt noch stärker ausgebildet zu sein als bei dem Schöpfer der Emlinghausener Skulptur. Die beschriebene Gewandfaltenqualität der Diakonsfigur lässt sich bei Skulpturen des gleichen Zeitraums im Mittel- bzw. Oberrhein­ gebiet, aber auch in Westfalen finden. Die überregionale Verbreitung dieses Stils ist seit der ersten Hälfte des 16.Jahrhunderts vielfach durch den Handel mit Kupferstichen erklärbar. So nutzte z.B. der westfälische Bildhauer Petrus Kolshusen die 1508 von Albrecht Dürer gearbeitete Kupferstichpassion als Bildvorlage für das Relief "Christus am Ölberg" in der St. Nikolauskirche in Hagen (Sundern). Petrus von Kolshusen (gest. 1552), einer der bedeutendsten sauerländischen Bildschnitzer des 16. Jahrhunderts, war Laienbruder im Prämonstratenserkloster Wedinghausen bei Arnsberg, für dessen Klosterkirche er das Altarretabel schuf. Ihm zugeschriebene Werke sind die Skulpturen der hl. Katharina im Museum der Grafschaft Mark, Burg Altena, und die 1864 vom Kloster Wedinghausen veräußerten Hochaltarfiguren der hll. Apostel Petrus, Jakobus d.Ä. und Jakobus d.J., die heute im Westfälischen Landesmuseum Münster aufbewahrt werden. Eine gewisse Vergleichbarkeit in der Gewandfaltengebung und in der Gesichtsbildung der Emlinghausener Diakonsfigur, mit breiter Stirn, hohen Wangenknochen und mandelförmigen, nach unten blickenden Augen, zeigen ebenso Steinskulpturen und -reliefs, die für den in Münster tätigen Johann Brabender (1498/99 bis 1561/62 Münster) und seine Werkstatt belegt sind. Die Provenienz der Diakonsfigur unterstützt die Theorie, dass der Bildhauer einer westfälischen Werkstatt angehörte, Die Skulptur stammt aus der Kapelle des Dorfes Emlinghausen, das zur Pfarrei Kohlhagen gehört. 1718 wurde die Kapelle als einschiffiger Saal mit 3/6-Schluss und Dachreiter errichtet Initiator und Bauherr muss der damalige Pfarrer von Kohlhagen, Paulus Legemann (Leymann),gewesen sein. Die Quellen überliefern, dass Legemann den Neubau und die prachtvolle Ausstattung seiner Pfarrkirche sowie den Bau des Küsterhauses bewirkt hat Aber auch zwei neue Kapellen in seiner Pfarrei wurden durch Legemann errichtet und drei weitere Kapellen))gründlich restauriert.Vermutlich gelangte die Figur des Diakons mit dem Neubau der barocken Kapelle nach Emlinghausen. Vielleicht durch Kontakte, die der kunstliebhabende Pfarrer zu den Freiherrn von Fürstenberg-Herdringen besaß, denen es oblag, die Pfarrstelle in Kohlhagen zu besetzen und die seit Generationen eine enge Beziehung zu dem Kloster Wedinghausen hatten.

Material/Technik

Holz (Eiche)

Maße

H 56,5 cm, B 21 cm,T 14 cm

Literatur

  • Arens, Andrea (Bearb.) (2008): Skulpturen des Mittelalters 1200 bis 1550 : die Sammlungsbestände des Südsauerlandmuseums Attendorn / Hrsg. Südsauerlandmuseum, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn. Berlin, S. 66-68
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Südsauerlandmuseum Attendorn

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Der volle Name des Museums lautet "Südsauerlandmuseum Attendorn - Museum für Kunst- und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn" Das...

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