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Südsauerlandmuseum Attendorn Skulpturen des Mittelalters 1200 -1550 [1125]
Skulptur Heilige mt Kinnbinde (Südsauerlandmuseum Attendorn CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Südsauerlandmuseum Attendorn / Ralf Breer (CC BY-NC-SA)
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Skulptur Heilige mit Kinnbinde

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Beschreibung

Ruhig, in leichter Kontrapoststellung, steht die Heilige, den Blick nach vorne gewand, auf einer Erdscholle. Gekleidet ist die Frau in ein langes, am Oberkörper eng anliegendes Kleid, das in der Hüfte durch einen zweigeteilten Gürtel gebunden ist. Darüber liegt ein umhangähnlicher, weiter Mantel. Der rechte Saum des Mantels ist vor den Körper gezogen und wird mit dem linken Arm in Hüfthöhe gehalten. Aus dieser Gewanddrapierung entwickeln sich zahlreiche, in weichen Schwüngen nach unten fallende Falten, die tütenähnlich spitz auslaufen. Zwei diagonale Zugfalten, die sich von der linken Hüfte zum rechten Fuß erstrecken, betonen das Standmotiv der Figur. Eine kleine Schüsselfalte erhebt sich über der rechten Hüfte. Stilistisch lässt sich die Skulptur in die Zeit um 1370-1380 einordnen.

Vergleichbar sind hier die Friesentormadonna des Schnütgen-Museums Köln, um 1380 (Inv. Nr. A 40) oder die weiblichen Klagefigürchen an dem vor 1368 entstandenen Grabmal des Kölner Erzbischofs Engelbert III von der Mark (1364-1368). Die Durchbildung des Körpers und besonders die Gestaltung des Gesichtes der Heiligen aus Weringhausen, lassen jedoch keine kölnische, sondern eher eine westfälische Herkunft der Skulptur vermuten. Die Gesichtszüge der jungen Frau mit vollen Wangen, einem zart ausgebildeten Mund und wachen, mandelförmigen Augen sind in ähnlichen Form beispielsweise bei der um 1330-,50 entstandenen thronenden Madonna des Westfälischen Landesmuseum in Münster (Inv. Nr. E 65) zu finden.
Die ursprüngliche ikonographische Einordnung der Weringhauser Figur ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, da in späterer Zeit Veränderungen an der Holzskulptur vorgenommen worden sind. Erst bei genauer Betrachtung ist die Kinnbinde unter dem in weiche Kaskaden fallenden, schulterlangen Kopftuch - die sog. Rise, bzw. Weihel mit Wimpel – erkennbar. Sie gehört zur typischen mittelalterlichen Tracht einer verheirateten Frau, Witwe oder Ordensfrau. Da beide Hände und das Buch Ergänzungen späterer Zeit sind, können sie nicht zur Identifizierung der Heiligen herangezogen werden. Die genaue Benennung ist ohne ein weiteres, spezifisches Attribut nicht mit Sicherheit möglich, jedoch lässt die Herkunft der Figur gewisse Rückschlüsse zu:
Die Heiligenfigur stand zuletzt in der 1869 errichteten Kapelle in Weringhausen, welche der hl. Apollonia geweiht ist. Als älteste und bedeutendste Skulptur des Ortes wurde sie zuletzt als Patronin der Kapelle verehrt. Die Legende berichtet jedoch, dass die Jungfrau Apollonia eine Königstochter war, die in hohem Alter ihr Martyrium erlitt. Dementsprechend wird die Heilige meist mit offenem Haar und einer der Zeitmode entsprechenden Kleidung dargestellt. Oft trägt sie auch die Krone, die sie als Königstochter ausweist. Die Umbenennung der Heiligenfigur kann Grund für die nachträgliche Beschnitzung der Kinnbinde gewesen sein. Möglich wäre, dass die Heilige mit Kinnbinde ursprünglich die hl. Elisabeth von Thüringen darstellte, der das Patrozinium für den Vorgängerbau der heutigen Kapelle gegeben war. Elisabeth wurde 1207 als Tochter König Andreas II. von Ungarn geboren und heiratete 1221 Ludwig, den Sohn des Landgrafen Herman von Thüringen. Nach dem Tod ihres Mannes auf dem Kreuzzug 1227 ging Elisabeth als Terziarin des 3. Ordens des hl. Franz nach Marburg, gründete ein Hospital und widmete sich der Krankenpflege. Sie starb 1231 und wurde in der Franziskuskapelle in Marburg bestattet. Bereits 1235 durch Papst Gregor IX kanonisiert, übertrug man ihren Leichnam in die eigens hierfür errichtete Elisabethkirche – neben der Trierer Liebfrauen der älteste, als gotische Kirche konzipierte Bau in Deutschland. Aufgrund der zahlreichen Wunderheilungen, die sich zu Lebzeiten Elisabeths, aber auch nach ihrem Tod an ihrem Grab ereigneten, breitete sich der Kult um die sehr schnell heiliggesprochene Ordensfrau besonders in der Region um Marburg, aber auch in den Gebieten des Deutschen Ordens aus, da der Schwager Elisabeths, der den Heiligsprechungsprozess maßgeblich vorantrieb, dort großen Einfluss hatte.

Ein weiterer Herkunftsort der Heiligen mit Kinnbinde ist der Vorgängerbau der St. Albinus-Kapelle in Bamenohl, nahe Weringhausen. Diese älteste für Bamenohl überlieferte Kirche wurde 1362 gestiftet und war den hll. Maria und Johannes Ev. geweiht. Über die Ausstattung dieser Kirche ist jedoch nichts bekannt.

Material/Technik

Eiche

Maße

H 62 cm; B 20 cm; T 16 cm

Literatur

  • Arens, Andrea (Bearb.) (2008): Skulpturen des Mittelalters 1200 bis 1550 : die Sammlungsbestände des Südsauerlandmuseums Attendorn / Hrsg. Südsauerlandmuseum, Museum für Kunst- und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn. Berlin, S. 54-57
Südsauerlandmuseum Attendorn

Objekt aus: Südsauerlandmuseum Attendorn

Der volle Name des Museums lautet "Südsauerlandmuseum Attendorn - Museum für Kunst- und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn" Das...

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