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Allegorie auf den Erdteil Europa

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Gemäldesammlung [GK I 5179]
Terwesten, Augustin : Allegorie auf den Erdteil Europa, 1694, GK I 5179, vor der Restaurierung. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Pfauder, Wolfgang (2016) (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Erdteilallegorien waren in der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts ein beliebtes Thema in der europäischen Kunst. Auch im höfischen Kontext wurden sie innerhalb von Schlossausstattungen als Repräsentationsmedium genutzt, um den Hoheitsanspruch des jeweiligen Herrschers und seine (wenn auch nur angestrebte) Stellung innerhalb der Welt zu verdeutlichen . Die 1694 entstandene „Allegorie auf den Erdteil Europa“ gehörte einst zur Ausstattung des Berliner Schlosses. Sie ist Teil einer Serie von vier großformatigen Gemälden, die Allegorien der vier damals bekannten Erdteile Europa (GK I 5179), Asien (GK I 5176), Afrika (GK I 5177) und Amerika (GK I 5178) darstellen. Die Erdteile werden jeweils durch weibliche Figuren personifiziert, die sich mit weiteren Figuren, Pflanzen und Tieren sowie typisierenden Accessoires umgeben.

Vor allem seit der Publikation von Cesare Ripas „Iconologia“ im Jahr 1604, die im 17. Jahrhundert auch in deutschen und niederländischen Ausgaben vorlag, hatte sich ein Kanon stereotyper Darstellungsformeln für Erdteilallegorien herausgebildet. In leicht veränderter Form kehrten sie häufig in der europäischen Kunst wieder, so auch in der Gemäldeserie Augustin Terwestens. Der traditionellen Hierarchisierung der Erdteile in der europäischen Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts folgend, sah sich Europa als Zentrum der zivilisierten Welt und als bedeutendster der vier Kontinente. Die Personifikation Europas ist im Gemälde Terwestens in ein antikisierendes Gewand gekleidet. Mit einem Zepter in ihrer Linken sitzt sie auf einem Thron, der als Würdezeichen erhöht auf einer mehrstufigen Empore steht. Fama, die mit ihrer Posaune den Sieg Europas in die Welt verkündet hat, bekrönt sie als Siegerin innerhalb der Gemeinschaft der vier Weltteile mit einer goldenen Krone. Monumentale Säulen mit einer reichen Draperie hinterfangen die Szenerie. Säulen, die in der Kunst traditionell als Symbol für Stärke und Beständigkeit stehen, verweisen in der „Allegorie auf den Erdteil Europa“ zudem auf eine reiche Palastarchitektur als Zeichen finanziellen Wohlstands und auf die hoch entwickelte Kunst der Architektur Europas. Zu Füßen der weiblichen Personifikation liegen auf den Stufen der Empore weitere Objekte ausgebreitet, die für die zivilisatorischen Errungenschaften des Kontinents stehen –d.h. hier für die Freien Künste und Wissenschaften. Attribute, wie eine Malpalette mit Pinseln, eine antike Büste, Noten und wissenschaftliche Instrumente verkörpern unter anderem die Künste Malerei, Skulptur, Musik, Astronomie sowie die Schifffahrt. Rüstungsteile im Vordergrund deuten ebenso wie antikisch gekleidete Soldaten im Hintergrund auf die Kriegskunst, deren höchsten Entwicklungsstand Europa für sich beanspruchte. Folianten am linken unteren Bildrand stellen – ihrem Titel gemäß – Abhandlungen über die Welt dar. Nicht zufällig wird Europa, das sich als führender Weltteil begriff, der erste Band zugewiesen.
Auch wenn sich die Allegorie Terwestens auf den Kontinent Europa bezieht, wird durch einzelne Motive der Darstellung deutlich, dass sich das Kurfürstentum Brandenburg als eigentliches Zentrum ansah. So glaubte es alle zivilisatorischen Errungenschaften Europas in sich vereint. Verdeutlicht wird dies im Bild, indem das brandenburgische Wappentier, der Adler (sowie das Wappentier der aus dem Herzogtum Braunschweig-Lüneburg (Hannover) stammenden Kurfürstin Sophie Charlotte, das Pferd) ins Zentrum der Himmelssphäre eingefügt wurde.

Obwohl die Personifikation Europas keine konkreten Porträtzüge aufweist, lässt ihr Äußeres dennoch eine leichte Nähe zu Porträtdarstellungen der brandenburgischen Kurfürstin Sophie Charlotte (1668-1705) erkennen. Während Sophie Charlotte eine leidenschaftliche Förderin der Musik am Hofe war, verhalf Kurfürst Friedrich III. (1657-1713, der spätere König Friedrich I. in Preußen), der bildenden Kunst in Brandenburg zu einer ersten Blüte. Wie bereits sein Vater beschäftigte er zahlreiche (vor allem niederländische) Künstler am Hof. In der Zeit, in der die Erdteilallegorien Terwestens entstanden, bemühte sich Friedrich III. gleichzeitig intensiv um die Förderung der Künste und Wissenschaften in Brandenburg. Im selben Jahr, 1694, hatte er die Universität in Halle gegründet. Seit 1694 plante er auch die Gründung einer Akademie der Künste, die denjenigen in Paris oder Rom ähneln sollte. Die Pläne wurden schlussendlich 1696 in die Wirklichkeit umgesetzt. Wenige Jahre später folgte die Gründung der Akademie der Wissenschaften.

Augustin Terwesten hatte sich bereits in jungen Jahren in Italien ausgebildet und lernte in Paris die Akademie der Künste kennen. Er stammte aus Den Haag, wo sich die Maler bereits vierzig Jahre zuvor von der handwerklich orientierten Malerzunft gelöst und eine Künstlervereinigung gegründet hatten. Erst kurze Zeit bevor Terwesten nach Berlin kam, hatte er maßgeblich an der Gründung einer Zeichenakademie in Den Haag mitgearbeitet. So konnte er ab 1692 als kurbrandenburgischer Hofmaler seine diesbezüglichen Erfahrungen in die Gründung der Berliner Akademie der Künste einfließen lassen und diese maßgeblich beeinflussen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass es sich bei der „Allegorie auf den Erdteil Europa“ gleichzeitig um eine indirekte Herrscherallegorie handelt, die auf das Florieren der Künste und Wissenschaften Brandenburgs in Friedenszeiten anspielt und dem Kurfürstenpaar als deren Förderer huldigt. Die im Bild gezeigten Krieger halten sich im Hintergrund zurück, während Rüstungsteile funktionslos am Boden liegen. Im Vordergrund stehen nun die Künste: Musik, die bildenden Künste in Form von Skulptur und Malerei, sowie Architektur, Astronomie, Geschichtsschreibung und Geographie. Die in der Antike begründeten Wissenschaften dienen dabei als Grundlage für die bildenden Künste.

Neben der Hierarchisierung des zivilisatorischen Rangs spielte auch der merkantile Aspekt eine Rolle in der europäischen Erdteilallegorie des Barocks. Hier standen vor allem die Handelsinteressen der Herrscher Europas im Vordergrund. In der Serie der Erdteilallegorien Terwestens wird die Rolle der drei außereuropäischen Kontinente als Handelspartner bzw. Zulieferer Europas (d.h. Brandenburgs) im jeweiligen Bild angesprochen. Über die von Emden aus agierende „Brandenburgisch-Africanische Compagnie“ (ab 1692 „Brandenburgisch-Africanisch-Americanische Compagnie“) wurden verschiedenste Rohstoffe und andere Waren nach Europa importiert. Eine besonders unrühmliche Rolle spielte sie im Handel mit versklavten Einwohner:innen Afrikas, die als „menschliche Ware“ im Auftrag Kurbrandenburgs verkauft wurden.
Augustin Terwesten (1649-1711) schuf die Serie der Erdteilallegorien höchstwahrscheinlich im Auftrag seines Dienstherrn, des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg für das Berliner Schloss. Dort befanden sie sich bereits vier Jahre nach ihrer Anfertigung, wahrscheinlich in einem der Spree oder dem Schlossplatz zugewandten Teil des Schlosses. Der Maler gehörte seit 1692 zu den wichtigsten Historienmalern am Hof und schuf unter anderem zahlreiche bedeutende Deckengemälde im Berliner Schloss, die im Zweiten Weltkrieg verloren gingen. Auch sein Bruder Matthäus war – wenn auch nur kurzzeitig – für den kurbrandenburgischen Hof tätig. Stellvertretend für die 1698 entstandenen (heute zerstörten) Deckengemälde der Brüder Terwesten im Schloss Charlottenburg wird die vier Jahre zuvor entstandene Serie der Erdteilallegorien Augustin Terwestens heute in einem Treppenhaus des ältesten Teils von Schloss Charlottenburg gezeigt. Aufgrund ihrer monumentalen Größe und der in Untersicht gezeigten Darstellungen kann davon ausgegangen werden, dass sie im Berliner Schloss für eine erhöhte Anbringung konzipiert wurden.

Dr. Alexandra Nina Bauer (2022)

Material/Technik

Öl auf Leinwand

Maße

ohne Rahmen: Höhe: 294.00 cm Breite: 207.00 cm

Literatur

  • Götter und Helden. Gemälde und Zeichnungen von Augustin und Matthäus Terwesten (1649-1711), (1670-1757), zwei niederländische Künstler am Hofe Friedrichs I. und Sophie Charlottes, hrsg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg, Ausstellung, Berlin, Schloß Charlottenburg, 1995 / 1996, Berlin 1995.
  • Hinterkeuser, GuidoDas Berliner Schloss. Die erhaltene Innenausstattung. Gemälde, Skulpturen, dekorative Kunst, hrsg. v. der Gesellschaft Berliner Schloss, Regensburg 2012, S. 62, S. 62, Nr. 57.
  • Preußen 1701 - eine europäische Geschichtehrsg. v. Deutschen Historischen Museum und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 2 Bde. (Katalog u. Essays), Ausstellung, Berlin 2001, Berlin, 2001. , S. 331-334
  • Schloss Charlottenburghrsg. v. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 9. Aufl., Potsdam 2002 (Amtlicher Führer). , S. 135
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