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Thangka (Mongolischer buddhistischer Wandbehang)

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Textil [IX 5456]
Thangka (Mongolischer buddhistischer Wandbehang), IX 5456. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Lindner, Daniel (2023) (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Einleitung
Eine Thangka ist im Allgemeinen ein buddhistisches Andachts- und Meditationsbild, das dem Gläubigen einzelne Aspekte der Erleuchtung und/oder der Buddha-Natur verdeutlichen soll. Die Thangka in der Sammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist in vielerlei Hinsicht ein besonders seltenes Exemplar. Das ungewöhnliche große Format (213x339 cm) und die unüblich schmale Montierung werfen Fragen nach dem Verwendungszweck und der Herkunft der Thangka auf. Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass das Objekt aus einer Reihe von Thangkas stammt, die als Wandverkleidung in einem Tempel tibetisch-buddhistischer Observanz außerhalb Tibets hingen. Auf der vorliegenden Thangka fehlt die religiöse Hauptfigur, was vermuten lässt, dass sich diese auf einer anderen Thangka befindet.
In tibetischen Tempeln und Klosteranlagen wurden Bilder traditionell direkt auf die Steinwände gemalt. In der nordasiatischen Baukunst, welche durch die chinesische Architektur beeinflusst ist, fehlen oft diese gemauerten Wände. So wird hier derselbe Effekt erzielt, indem man die Malereien auf Stoff an die hölzerne Wand montierte. Vergleichbare Beispiele lassen sich nur noch in Tempeln der Verbotenen Stadt nachweisen.
Aufgrund der verschiedenen stilistischen Einflüsse, die in der Malerei zu erkennen sind, kann man sie dem südmongolischen Kulturraum zuordnen. Dieser erstreckt sich von der Manschurei über die Innere Mongolei bis zur Provinz Gansu. Das „Layout“ der Thangka, das eine Fülle von Einzelepisoden fast comichaft über die Bildfläche verteilt, ist eine typisch tibetische Konvention. Die Tiere – Pferde, Elefanten, Ochsen, Yaks und besonders Kamele – mit ihrem vermenschlichten Gesichtsausdruck verweisen auf mongolischen Einfluss. In der Gestaltung der Landschaft und der Fauna sind Merkmale der chinesischen Landschaftsmalerei zu erkennen, die in der nordchinesischen akademischen Malerei der Zeit praktiziert wurden.

Irdische und mythische Welten
Die Szenen stehen im Spannungsfeld zwischen realistischer Darstellung von Architektur und mythologischen Orten einer religiösen Erzählung. Die verschiedenen Bauwerke im Bild können bestimmten Baustilen und Regionen zugeordnet werden. Dies ergibt eine Art geographische Karte auf der Thangka. Links unten ist tibetische Klosterarchitektur zu sehen, darüber eine mongolische Palastanlage und rechts unten eine chinesische Stadtmauer.
Die mandschurischen Kaiser Chinas etablierten in Jehol (chin. 承德, Chéngdé) einen Ort, welcher das Zentrum der zentralasiatischen Diplomatie für die Qing-Dynastie (1644-1911) wurde. Außerhalb der Mauern des Sommerpalastes der Qing-Kaiser, wurden die Acht Tempel in verschiedenen Baustilen errichtet. Der Putuo Zongcheng Tempel (chin. 普陀宗乘之廟, Pǔtuózōngshèng zhī miào) wurde zwischen 1767 und 1771 erbaut. Er ist ein Nachbau des Potala Palastes, dem Sitz der Dalai Lamas in Lhasa.
Die tibetische Architektur unterscheidet sich von der chinesischen grundsätzlich im Gebrauch von Mauern als den tragenden Elementen der Gebäude, im Gegensatz zur tragenden Konstruktion der chinesischen Architektur, welche aus Säulen und einem verzapften Dachstuhl besteht. So findet man im Putou Zongcheng Tempel blinde Fenster, welche nur als Fassadengestaltung, aber nicht als Fenster genutzt werden. Diese sind auch auf der Thangka dargestellt. Schwarze Blenden umrahmen nur rote Flächen auf der Außenwand. Die daraus resultierende Schlussfolgerung ist, dass der Maler, oder besser das Malstudio, welches diese Thangka anfertigte, nicht mit realer tibetischer Architektur vertraut war, sondern nur mit chinesischen Kopien tibetanischer Bauten, oder anders gesagt: chinesischer Bauten im tibetischen Stil. Dies verstärkt die Vermutung über den möglichen Entstehungsraum und Datierung des Werkes, welcher eben nicht in Tibet zu verorten ist.
Die gemalte Palastablage links oben vereint in sich chinesische und tibetische Architekturelemente. Die Mauern und Wände des Unterbaus sind eher tibetisch, die Säulenaufsätze und Dächer sind eher chinesisch. Diese Mischformen sind auch in der mongolischeren Palastarchitektur anzutreffen.
In der unteren rechten Ecke der Thangka ist die Darstellung einer chinesischen Stadtmauer zu sehen. Das von einer zweistöckigen Säulenhalle gekrönte Stadttor kann man in verschiedenen Orten in China antreffen. Die Zinnen, als gemauerte Teile der Brustwehr, schützen die Soldaten vor Pfeilen oder anderen Schusswaffen und sind typisch für chinesische Stadtmauern.
Somit sind symbolisch Tibet im „Südwesten“, China im „Südosten“ und die Mongolei im „Nordosten“ des Bildraumes dargestellt. Dadurch wird, wie auf einer Landkarte, der südmongolische Entstehungsraum der Thangka geographisch eingekreist.
Über den realgeographischen Aspekt des Bildaufbaus hinaus, gibt es noch eine weitere thematische Unterteilung der Thangka. Das gesamte Bild ist in die Bereiche der Menschen (unten) und die der mythischen Wesen (oben) in einer Wasserlandschaft unterteilt. Menschen und mythischen Wesen gehören der Gruppe der „fühlenden Wesen“ an. Dies ist von Relevanz, wenn man die Hauptperson auf der Thangka näher untersucht, da sie den leidenen Kreaturen in beiden Bereichen zugewandt ist.

Datierung
Es gibt einige Ansätze für die genauere Datierung dieser Thangka. Da sonst keine Vergleichstücke bekannt sind, kann man nicht darauf zurückgreifen. Da die funktionslosen blinden Fenster der chinesischen Nachbauten tibetischer Tempel erst ab der 2. Hälfe des 18. Jahrhunderts als Vorlage zu Verfügung standen, ist diese Datierung wahrscheinlich. Ein weiterer Hinweis auf die Datierung ist die Einfassung der Thangka. Die Rahmung der Malerei besteht aus drei verstürzt zusammengenähten Gewebestreifen. Diese bestehen aus chinesischen gemusterten Seidengeweben mit Metallfäden, welche ebenfalls in diese Zeit datiert werden können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das religiöse Gemälde wohl gegen Ende des 18. Jahrhunderts während der mandschurischen Qing-Dynastie entstanden ist.

Mögliche Themen der Darstellung
Über den genauen Inhalt der Thangka kann momentan keine endgültige Aussage getroffen werden. Der Wandbehang war Teil einer Serie. Dies lässt sich aus dem Fehlen einer zentralen göttlichen oder menschlichen Hauptfigur schließen. Auch der schlechte Erhaltungszustand der Thangka und der starke Abrieb an den Inschriften und Einzelszenen erschwert die genauere Bestimmung. Trotz dieser Hindernisse können einige Hypothesen aufgestellt werden.
Der eigentliche Sinn ergäbe sich aus dem Zusammenhang mit den anderen unbekannten Thangkas der Raumausstattung. Ganz offensichtlich ist das Lindern von Not und Schmerzen, das Retten aus Notsituationen das zentrale Thema der religiösen Malerei. Die Hauptfigur ist sicherlich ein Bodhisattva auf dem Weg zur Erleuchtung, was die zwei folgenden Vermutungen inhaltlich verbindet.
1. Es könnte sich um die Illustration des Mahāyāna-Ideals von Mahākaruna (skr. महाकरुण) – des Großen Erbarmens handeln. Diesem Ideal verbunden sind die die Sechs Pāramitā (skt. पारमिता), also die Tugenden des Lebens/ der Vollkommenheit des Buddhas. Die erste dieser Tugenden ist das Dāna Pāramitā (skr. दान पारमिता), die Vollkommenheit des Gebens. Im Mahayana-Buddhismus wird Dana mit der Tugend des Mitgefühls Mahakaruna verbunden und als wesentlicher Faktor aufgefasst, um die Erleuchtung zu erreichen und andere fühlende Wesen zur Erleuchtung zu führen. Die Darstellungen auf dieser Thangka sollen den Betrachtern diese Ideale bildlich vor Augen führen
2. Es könnte sich aber auch um die bildliche Umsetzung einer Jātaka–Erzählung (skt. जातक, eigentlich „Geburtsgeschichte“) handeln. Diese berichten von vorangegangenen Existenzen des historischen Buddhas Siddharta Gautama (ca.560-480 v. Chr.) auf seinem Weg zur Erleuchtung. Um dies zu erreichen, muss er die Sechs Pāramitā verwirklichen und sich als Bodhisattva in den Prinzipien des Mahākaruna üben. Inhaltlich sind diese beiden Interpretationen also miteinander verbunden.

Dschinpa Tschenpo - der Große Geber
Der Bodhisattva, der sich hier auf eine Reise begeben hat, wird in den Inschriften Dschinpa Tschenpo (tib: sByin-pa-chen-po, deu: Großer Geber) genannt. Dabei ergibt sich eine inhaltliche Verbindung zur Dāna Pāramitā, der Vollkommenheit des Gebens. Er trägt die Kleidung einer fürstlichen Person, im Stil eines tibetischen Königs des 6. oder 7. Jahrhunderts n. Chr. Dschinpa Tschenpo erscheint in verschiedenen Szenen als großzügig schenkende Person. Dabei tritt der Bodhisattva den leidenden Kreaturen helfend gegenüber (nach dem Prinzip des Mahākaruna) oder großzügig zur Seite (nach dem Prinzip des Dāna Pāramitā) und tut dies in der irdischen Welt bei den Menschen und bei den mythologischen Wesen in der Wasserlandschaft.

Das Zentralmotiv des Siegesbanners
Die Annahme, dass eine buddhistische Heilsgestalt als Hauptfigur auf einer weiteren Thangka in der Serie erscheint, würde erklären, warum hier auf dieser Thangka auf eine zentrale heilige Gestalt verzichtet wurde. Stattdessen ist das zentrale Motiv auf der vorliegenden Thangka ein großes Siegesbanner (skr. Dhvaja; tib. Gyaltsen, rGyal-mtsan). Das Siegesbanner ist eines der Acht Glücksverheißenden Symbole des tibetischen Buddhismus (skr. așța mańgala, tib. bKra-shis rtags-brgyad). Es stammt aus Indien und wurde ursprünglich im Militär verwendet. Hier ist es Zeugnis des Sieges Buddhas über Māra, den Herrn der Erscheinungswelt und des Todes, der den Buddha in der Nacht seiner Erleuchtung angegriffen hatte.
Die Spitze des Banners krönen drei Juwelen, welche für die Drei Juwelen des Buddhismus stehen: Buddha (der Erleuchtete), Dharma (seine Lehre) und Sangha (seine Gemeinschaft). Von ihnen gehen Lichtstrahlen aus, die sich über zwei weitere Haufen von wertvollen Gegenständen ergießen. Auch unter dem Siegesbanner sind große Mengen von Kostbarkeiten zu sehen, wie Korallenzweige, Elefantenstoßzähne oder Nashornhörner. Dazwischen stapeln sich Ballen chinesischer Seide. Die weißen Rollen sind in Leinen eingenähte runde Teekuchen, wie sie in der Provinz Yunnan hergestellt werden. Diese wurden als Tribute bzw. Handelsgut von China nach Tibet oder in die Mongolei geliefert. Außerdem liegen daneben noch weitere Edelsteine und Haufen von Reis, Hülsenfrüchten, Salz und chinesischen Lochmünzen auf dem Boden. Aus dem Siegesbanner regnen weitere Juwelen herab.

Schlussfolgerung
Die vorliegende Thangka ist ob Ihrer Seltenheit, Größe und Darstellungen ein besonders interessanter und wertvoller Untersuchungsgegenstand. Trotz vieler Unsicherheiten ist der Entstehungsort im südmongolischen Kulturraum zu verorten. Bei der Hauptfigur Dschinpa Tschenpo handelt es sich um einen Bodhisattva auf dem Weg zur Erleuchtung. Nach seinem Namen zu urteilen, ist es wahrscheinlich, dass es sich bei der Thangka entweder um eine Illustration der Dāna Pāramitā oder ein Beispiel aus der Kette der Jātaka-Erzählungen handelt. Beides legt nahe, dass die Thangka aus einem Bildzyklus stammt, der einen Tempelraum schmückten.
Die Provenienz der Malerei bleibt weiterhin unklar und sollte unbedingt intensiver untersucht werden. Der Aktenverweis „Gesandtschaftsgeschenk“ wirft mehr Fragen auf als er beantwortet. Hinter diesen Vermerk ist ein großes Fragezeichen zu setzten, denn in allen buddhistisch geprägten Kulturen Zentral- und Nordasiens gilt es als Sakrileg und Tabu, Objekte der Andacht und des kultischen Gebrauchs aus ihrem Zusammenhang zu nehmen und zudem in einen Kulturraum zu verschenken, der keinerlei Beziehungen zur buddhistischen Geisteswelt aufweist.

Ich danke Roland Steffan, Dresden, für die Beratung sowie Übersetzungen aus dem Tibetischen und Sanskrit

Constantijn Johannes Leliveld (2024)

Material/Technik

Leinen, Leinwandbindung - Seide, gewebt - Metallfäden, gewebt

Maße

Hauptmaß: Höhe: 213.00 cm Breite: 339.00 cm

Literatur

  • Beer, RobertThe Handbook of Tibetan Buddhist Symbols, Boston 2003.
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

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