Im Inneren dieses Kunstwerkes verbirgt sich eine aufwändige Mechanik des Berliner Oberhofuhrmachers Christian Möllinger (1754-1826). Das Uhrwerk befindet sich in dem bekrönenden Gehäuseaufsatz, das zugehörige Flötenwerk im verspiegelten Mittelteil.
Das in Rahmenbauweise konstruierte Gehäuse ist auf hölzernen Rollen (je Rolle Länge 9 cm; Durchmesser 7 cm) gelagert. Der zweigeschossige Aufbau steht auf einem profilierten Sockel. Die beiden Kranzgesimse – das untere auskragend, das obere eingezogen – werden von Eckpilastern getragen, dazwischen befinden sich Kassetten. Die Rückseiten sind jeweils als Türen ausgebildet. Am Untergeschoss befinden sich an den drei Schauseiten von vergoldeten Perlstableisten gerahmte eingetiefte Felder. Die ebenso gerahmten seitlichen Pilaster sind durch Rosetten dekoriert; ein vergoldeter Zahnschnittfries schließt diesen Teil ab. Das Obergeschoss besitzt vorn einen Spiegel, die Seiten sind als Schallöffnungen ausgebildet und mit Textil (2020 erneuert) bespannt. Die oberen Pilaster weisen einen Schmuck aus nach unten im Durchmesser kleiner werdenden hölzernen Scheiben auf, die auf einem vergoldeten Stab „aufgefädelt“ sind, darüber befinden sich antikisierende vergoldete Masken und ein geometrischer Stabwerksfries, in den Ecken wiederum vergoldete Rosetten. Ein flaches Zeltdach leitet zum würfelförmigen Uhrenaufsatz über: seitlich Pilaster, unten mit Bogenfries, darüber an der Vorderseite das Zifferblatt mit oberhalb angebrachtem Tuchgehänge, an den Seiten jeweils kleinere Tuchgehänge. Den oberen Abschluss des Gehäuses bildet ein runder Aufsatz mit flacher Kuppel und Pinienzapfen.
Das Objekt verweist in der Art des architektonisch ausgebildeten Pfeileruhrtypus auf ein Möbelstück. Als besonderes Merkmal für die um 1800 von England beeinflusste Berliner Möbelkunst weist sie im Obergeschoss einen Spiegel auf. Ansonsten wirkt das Gehäuse allein durch das edle Nussbaumfurnier und die sparsamen, aber effektvoll arrangierten vergoldeten Messingzierrate, die an antiken Formen orientiert sind. Der Pfeileruhrtypus folgt den Vorbildern aus der Neuwieder Werkstatt von David Roentgen (1743-1807). Deren früherer Mitarbeiter Johann David Hacker (1748-1801) hatte sich 1791 in Berlin niedergelassen und hier schon bald darauf das Hoftischler-Prädikat erhalten. Für die erste Wohnung König Friedrich Wilhelms II. von Preußen im Schloss Charlottenburg lieferte er eine Flötenuhr mit einem an die Rückwand zurückgesetzten Spiegelaufsatz. Im unteren Teil des Rahmens befand sich die Stundenuhr, im Kasten darunter das Flötenwerk. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin bewahrt eine mit der hier vorgestellten Uhr nahezu baugleiche, jedoch reicher ausgestattete Flötenuhr mit der bekrönenden Sitzstatue einer Urania im Knoblauchhaus. Eine dritte Uhr dieses Typs (ebenfalls mit Urania-Bekrönung) wurde 1931 in Berlin bei dem Antiquar Paul Graupe versteigert (Kat. 593), 2018 und 2020 auf der TEFAF in Maastricht bei Peter Mühlbauer gezeigt. In der Zusammenschau dieser drei Flötenuhren wird beim Aufbau und der sehr ähnlichen Dekoration der Gehäuse (Zahnschnitt, Lattenwerk-Fries „fretwork“, Rosetten und antikisierende Masken) sichtbar, dass ein Grundmodell offenbar mehrfach in den Dekorationen variiert worden ist. Dabei orientiert sich dieser streng architektonische Typ an den um 1795/1800 in Berlin beliebten Aufsatzmöbeln mit einflügeligen Spiegeltüren. Bei den Uhrgehäusen konnten je nach Kundenwunsch einzelne Elemente, wie der bekrönende Aufsatz, der Zierrat der Pilasterfüllungen oder die Applikationen in den Kassetten der Schauseiten ausgetauscht werden. Da die Kunsttischler in dieser Zeit nur sehr selten ihre Produkte signierten, ist es schwer, den Urheber des Gehäuses zu ermitteln. Nur wenn, wie im Fall der Hacker-Uhr für Schloss Charlottenburg, Rechnungen, Inventaraufzeichnungen oder andere Quellen vorhanden sind, ist mitunter der Name des Herstellers überliefert. Ist dies nicht der Fall, so kann nur über Analogien zu ähnlichen Objekten die Verbindung zu einem Uhrmacher oder Kunsttischler hergestellt werden. Wegen der Ähnlichkeiten zu den drei oben aufgeführten Beispielen kann davon ausgegangen werden, dass ein Berliner Möbelschreiner, vielleicht Hacker selbst oder eine Werkstatt aus seinem Umkreis, das Gehäuse fertigte. Der Entwurf könnte von einem namhaften Architekten, wie Friedrich Gilly (1772-1800), der nachweislich auch Zimmer- und Möbeldekorationen plante, angeregt sein.
Als Käufer solch aufwändig gearbeiteter und kostspieliger Musikuhren kommt nur ein vermögender Kunde aus dem Adel oder reichen Bürgertum in Frage. Wer der Auftraggeber bzw. Erstbesitzer dieser Uhr war, ist nicht bekannt. Das Objekt wurde 1936 vom Märkischen Museum im Berliner Kunsthandel (Antiquariat Paul Graupe) für 30.000 Mark erworben. 2019 wurde das Gehäuse restauriert. (Silke Kiesant)